Ein neuer Glosseschreiber wurde gesucht. Ich habe es gelesen und mich beworben. Ohne wirklich zu wissen um was es dabei geht. Geht Ihnen das auch manchmal so? Das sie so euphorisch sind und einfach nach vorne preschen, ohne zu erahnen welcher Rattenschwanz da noch folgt? Ich glaube das liegt an der Zeit, an den Menschen, den Umständen, an was auch immer. Die Leute preschen nach vorne – zum Teil ohne Wissen. Mit Statements, Ansichten und Meinungen. Ohne Rücksicht auf ihre Umwelt. Ohne Rücksicht auf unsere Ohren. Manche haben ja wirklich gute Dinge in die Welt zu tragen. Aber manche eben auch nicht.
Nun aber zurück zum Anfang. Ein Nachfolger von Eugen Pletsch wurde gesucht. Jemand der charmant – wie er – zum Wohle dieser Fachzeitschrift beitragen kann. Ich bin charmant. Ich kann schreiben und lesen. Ich arbeite als Familiencoach und Kommunikationstrainer. Ich habe die idealen Bedingungen um eine (seine) Nachfolge antreten zu können. Das Erbe ist groß. Ich habe die Glossen gelesen von ihm. Sie sind gut. Sie sind leicht. Sie sind witzig.
Um mir sicher zu sein, manchmal bin ich eben unsicher, befrage ich meinen männlichen Mitbewohner. Ich habe eigentlich zwei davon. Einer ist noch ziemlich jung, der andere dagegen schon (ziemlich?) alt. Auf Grund der Lebenserfahrung frage ich den älteren der beiden.
„Was glaubst du, kann ich eine regelmäßige Glosse schreiben?“
Er schaut mich an, runzelt die Stirn und antwortet „Wenn du weißt was eine Glosse ist, spricht doch nichts dagegen.“
War das jetzt alles? War das seine Antwort auf eine – für mich – wichtige Frage?
Ich hake nach: „ Darum geht es doch gerade nicht. Ich meine, traust du mir zu, dass ich regelmäßig eine Glosse schreiben kann? „
Wieder einer verwirrter Blick. „Prinzipiell traue ich dir eine Menge zu. Ich trau dir sogar zu, dass du weißt was eine Glosse ist.“
„Welches Thema – meinst du – würde zu mir und der Glosse passen?“
„Eigentlich jedes Thema. Du liest viel. Du schreibst viel. Du redest viel. Da wird dir schon was einfallen.“ sagte er und verschwand im Nebenraum.
Da stand ich also. Mit offenen Fragen und kaum Antworten. Mein Gedankenkarussell drehte sich. Weniger um die Themenfragen. Als viel mehr um das eben stattgefunden Gespräch. War es überhaupt ein Gespräch? Oder haben zwei Menschen im selben Raum ihren unterschiedlichen Gedanken Ausdruck verliehen? Ist ein Gespräch nicht eine Frage – Antwort – Spiel? Hatte ich nicht ausdrücklich betont was mein Anliegen ist? Anscheinend nicht, sonst hätte mein männlicher Mitbewohner ja konkret geantwortet. Da er es aber nicht tat – in meinen Augen – war es weniger ein zielführendes Gespräch. Es glich der ehemaligen Spielshow Jeopardy. In dieser Sendung waren die Antworten vorgegeben und die Teilnehmer mussten die passende Frage finden. Irgendwie so kam ich mir auch gerade vor.
Ich brauchte aber eine Antwort, also folgte ich ihm in den Nebenraum. Dieser Nebenraum war unsere Küche. Dort stand er am Herd und bereitete ein Mahl vor. Unser gemeinsames Abendmahl. Er schnippelte und raspelte und rührte und kochte so vor sich hin. Ein kochender Mann ist schon ein Anblick. Also vor dem Herd meine ich und nicht innerlich. In ihm innerlich, nicht in mir. Ich schüttelte mich, in der Hoffnung das meine wirren Gedanken dabei heraus purzelten.
Ich stellte mich nun neben ihn – meinen männlichen Mitbewohner – schaute ihn mit meinen treuen Augen an und erhoffte mir so eine passende Antwort.
Er schaute mich ebenso an und meint dann zu mir „Kann ich bitte den Kochlöffel haben? Dankeschön.“
Ja gibt es denn sowas? Da steh ich neben ihm, mit wirren Gedanken, auf der Suche nach Antworten und er möchte den Kochlöffel von mir haben? Ich war erschüttert. Gab ihm den Löffel und verließ den Raum.
War das vielleicht das Crux an Beziehungen? Das niemand Gedankenlesen kann? Oder das wir verlernt haben uns korrekt auszudrücken. Das wir immer davon ausgehen, der andere wird schon sehen, was mit mir los ist? Das wir uns in Hellseherei, negativen Vorahnungen und Schwarz / Weiß Denken verlieren? Ist Kommunikation und das daraus entstehende Miteinander wirklich so schwer? Oder gibt es eine Chance dem ganzen zu entgehen?
Klar gibt es die Chance – wir leben alle alleine in Zweiraumwohnungen und tristen unser Dasein. So entstehen keine Meinungsverschiedenheiten und die Antwort auf gestellte Fragen, können wir uns gleich selber geben. Wir wissen schließlich was wir hören wollen. Wir kennen unsere Gefühlslage. Wir hören uns wirklich zu. Wirklich?
Mein Gedankenkarussell hatte soeben Fahrt aufgenommen. „Hallo und Herzlich Willkommen zum Gedankenkarussell. Die Fahrt ist kostenlos und dauert so lange wie sie wollen. Also, herangetreten und Spaß gehabt. Wer will nochmal, wer hat noch nicht.“ Mir wurde so langsam echt schwindlig. Ich entschied mich auszusteigen. Für jetzt. Vielleicht steig ich später wieder ein. Vielleicht aber auch nicht.
Ich roch das leckere Essen, ging in die Küche, deckte den Tisch. Dann saßen wir alle und aßen. Es schmeckte herrlich. So warm und vertraut und doch frisch zubereitet. Meine Gedanken kamen zur Ruhe und das Thema Glosse auch.
Nach dem Essen, wurde der Tisch aufgeräumt, die Küche in Ordnung gebracht. Mit dem ganzen Tun sichtet sich mein Gedankennebel. Ich erinnerte mich wieder daran, was eine Glosse als Stilmittel ist. Welche Eigenschaften sie mit sich bringt und auch das regelmäßige Schreiben. Die Themen werden mit mir zu tun haben. Das Miteinander und die Kommunikation.
Eine Vorfreude macht sich breit und die Gewissheit dieser Aufgabe gewachsen zu sein. Ich lächelte innerlich. Stolz auf meine eigene Antwort.
Mein Mann sah mich an. Nahm mich in den Arm und sagte „Siehst du, alles halb so schlimm. Klar kannst du Glossen schreiben. Die Themen findest du im Alltag – wie sooft. Und wenn du doch eine Blackout hast, dann schreibst du einfach über Kommunikation und die Auswirkung auf das Miteinander.“
So einfach kann es also sein.
Eine Frage bleibt: Kann mein Mann doch Gedankenlesen? Und wenn ja, warum verheimlicht er es mir?
Mit sonnigen Grüßen
Eure Jana