Thema: Die gut gemeinten Ratschläge sind auch Schläge
Kennst du das: Da sitzt du heulend in der Küche deiner besten Freundin oder besten Freund und schüttest dein Herz aus. Der ganze Schmerz, die Traurigkeit, der Verlust. Und was passiert? Als du gerade dein Taschentuch erneuerst, kommt dir folgender Satz entgegen:
„Das Gefühl kenne, am Besten du tust folgendes …. „ oder
„Bei mir war das genauso. Weißt du was mir da geholfen hat? …“ oder
„Nun weine doch nicht, ist schließlich kein Weltuntergang.“
Prima, oder? Ganz ehrlich: Ich hasse diese Sätze. Diese Sätze mit denen mir gesagt wird
- was ich tun soll
- was ich denken soll
- was ich fühlen soll
- das alles nur halb so schlimm ist
Wenn in meinem Leben gerade irgendwas schief läuft und ich dann weinen, schreien oder mich verstecken möchte – dann tu ich das!
Und am allerwenigsten kann ich dann gute Ratschläge verkraften. So lieb das gemeint ist, so anstrengend ist das in dieser Situation für mich.
Warum?
Weil ich gerade leide und nicht der Andere.
Weil es dabei um mich geht und nicht um den Anderen.
Und weil dass, was dem Anderen geholfen hat – noch lange nicht gut für mich sein muss.
Warum geben wir Ratschläge?
Ein Ratschlag ist eine Empfehlung zur Lösung eines Problems. So gesehen, also etwas positives. Und trotzdem nervt es, wenn wir welche bekommen. Gerade als Teenager bekommen wir von allen Seiten solche Tipps.
Wieso?
Weil wir sie ungefragt geschenkt bekommen und dann noch dankbar sein sollen.
- Wenn wir gerade eine Trennung hinter uns haben, wollen wir in den ersten 5 Tagen nicht hören, dass andere Mütter auch schöne Söhne haben.
- Wenn ich als Teenager meine beste Freundin an ein anderes Mädchen verliere, dann will ich nicht hören, dass mir das noch öfter im Leben passieren wird.
- Wenn ich meine Arbeitsstelle verloren habe, hilft es mir im ersten Moment nicht, wenn ich höre was ich hätte besser machen können.
Es gibt unendlich vieler solcher Situationen und jeder kann da seine eigenen Geschichten erzählen. Schreibe deine unten in den Kommentar. Ich bin gespannt wie dein „Lieblingsratschlag“ aussieht.
Grundsätzlich haben alle eine Gemeinsamkeit: Wir fühlen uns in diesen Situationen nicht wohl. Wir sind traurig, bestürzt, entrüstet, verletzt …. Und anstatt wir in diesem Moment einfach nur weinen oder stumm die Wand anstarren dürfen, bekommen wir Ratschläge.
Die sind bestimmt gut gemeint und unser Gegenüber möchte uns nur helfen, allerdings:
Ist gut gemeint noch lange nicht gut gemacht.
Meistens handeln wir als Gegenüber aus dem Impuls heraus helfen zu wollen. Wir wollen das es unserer Freundin, unserem Kind schnell wieder besser geht. Wir möchten einfach nicht mit ansehen wie die Tränen fließen. Die meisten von uns können diese Gefühle schon bei sich schwer aushalten. Wie schwer ist das Aushalten erst, wenn unser Gegenüber solche Gefühle hat?
Gefühle aushalten – sowohl die eigenen wie auch die unseres Gegenübers.
Mit unseren Ratschlägen wollen wir zeigen, dass wir auch schon in scheinbar ausweglosen Situationen waren. Wir wollen Wege zur Bewältigung zeigen. Wir wollen Impulse geben für mögliche Auswege und Erneuerungen im Leben. Dabei vergessen wir dann, dass das unsere Strategien sind und waren. Dass das alles uns geholfen hat. Und das eben unser Weg raus aus der Krise, nicht der gleiche Weg für jemanden anderen sein muss.
So individuell wir alle sind, so individuell ist auch der Umgang mit Kummer, Schmerz, Trauer, Freude und all den anderen Gefühlen.
Wie es besser gehen kann
1. Gefühle aushalten
Das mit den Gefühlen ist da so ne Sache. Die guten Gefühle nehmen wir meist nicht wahr. Die schlechten überrollen uns ungefragt. Und dazwischen reden und denken wir viel über sie nach. Die eigenen Gefühle zu kennen und dann auszuhalten ist somit schon schwierig. Wie schwierig ist es dann, Gefühle bei anderen auszuhalten?
Ich spreche aus Erfahrung: sehr schwierig.
- Schweigend neben jemanden zu sitzen der seit Stunden weint – schwierig für mich.
- Zuzulassen das jemand nur die Wand anstarrt – schwierig für mich.
- Miterleben, dass die Wut bei meinem Gegenüber laut stark seinen Weg findet – schwierig für mich.
Und trotzdem lasse ich es zu. Ich halte diese Gefühle aus. Wieso? Weil ich weiß, dass es meinem Gegenüber gerade gut tut. So zu fühlen und genau so den Gefühlen Ausdruck zu verleihen.
Lachen ist gern gesehen in der Gesellschaft. Weinen nicht. Ich plädiere für einen Heul Verein e.V. Da darf dann jeder weinen. Wann er will, wo er will, so laut er will.
2. eigene Bedürfnisse / Geschichten hinten anstellen
Jede Situation löst etwas in uns aus. Warum? Weil wir unsere eigenen Geschichten dazu haben. Wir alle hatten schon mal Liebeskummer, wurden entlassen, mussten neue Jobs antreten, haben Freunde aus dem Auge verloren etc. So ist das Leben. Es ist normal.
Sitzt nun aber ein kleines Häufchen Elend vor uns, haben unsere Geschichten in diesem Moment Sendepause. Sie gehören nicht hierher. Jetzt ist nur die Geschichte deines Gegenüber wichtig und deine eigenen Empfindlichkeiten können gepflegt einen Tee trinken gehen.
3. Nachfragen, ob ein Impuls erwünscht ist
Wenn du nun aber die geniale Lösung im Kopf hast oder du eine Idee entwickelst, die dem anderen weiterhelfen kann, dann frage nach. Frage, ob du deine Gedanken laut aussprechen darfst. Frage, ob du deine Idee mitteilen darfst. So hat dein Gegenüber die Chance zu entscheiden: Will ich das jetzt hören oder später oder eben gar nicht. Letzten Endes ist es immer noch sein Problem und nicht deins. Demzufolge kann nur sie oder er entscheiden, wie der Umgang damit aussieht.
Ich wünsche dir viel Freude beim Entdecken, Ausprobieren und Erleben.
Für kleine Hilfestellungen in der Umsetzung kannst du dich jederzeit an mich wenden.
Sowohl per Email als auch persönlich bin ich als Unterstützung für dich da.
Das Miteinander darf leicht sein und Kommunikation auch!
Sonnige Grüße
Jana
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Ein Gedanke zu “Wertschätzende Kommunikation – Teil VI”