Während ich diesen Beitrag schreibe, ist Corona allgegenwärtig. Hier in China begann die Ausnahmesituation im Januar. Unser Alltag hat sich von jetzt auf gleich verändert. Sehenswürdigkeiten wurden geschlossen. Restaurants und Geschäfte ebenso. Einzig die Lebensmittelläden waren geöffnet, um keine Panik in Bezug auf die Lebensmittelversorgung zu schüren. Wir leben in einem Land, dessen politisches System anders ist, wie wir es aus Deutschland kennen. Somit war am Anfang auch unklar, wie hier mit so einer Krise umgegangen wird. Hinzukam die Unsicherheit, was das für uns Ausländer bedeutet. Dürfen wir bleiben oder müssen wir gehen.
Ganz ehrlich – am Anfang hatte ich Angst. Angst um mich und meine Familie, weil wir einfach keine Informationen hatten. Als diese dann kamen, ging auch meine Angst. Ganz weg war sie nie, doch händelbar.
Nun sind die Umstände also bescheiden. Alle Maßnahmen zur Eindämmung des Virus beinhalten gleichzeitig viele Einschränkungen für meinen Alltag.
So sehr ich dieses Vorgehen nachvollziehen kann, so sehr nerven mich die Umstände. Ich meine, ich kann nicht, wie ich gerne will. Die Kinder können nicht in die Schule. Wir haben eingeschränkten sozialen Kontakt. Mein Sprachkurs ist gestrichen, weil ich nicht aufs Schulgelände darf. Und an den Wochenenden ist es uns nicht möglich, durchs Land zu reisen. Ganz zu schweigen von einem Besuch in Deutschland.
Die Umstände beschneiden mich und zu Beginn war ich sehr im Widerstand dazu. Doch dann habe ich erkannt, dass der Widerstand zu den Umständen mir nicht förderlich ist. Statt im Jetzt Präsent zu sein, war ich mit meiner Aufmerksamkeit in der Zukunft. Ich habe täglich auf gute Nachrichten gehofft und darauf, dass ich meinen gewohnten Alltag wiederbekomme. Wie ein kleines trotziges Kind wollte ich einfach haben, was gerade nicht war. Dieser Kreislauf führte dazu, dass ich angespannt war. Innerlich. Und wenn wir innerlich angespannt sind, dann sind wir weder in Balance noch in einer positiven Grundstimmung. Doch genau die brauchte ich. Ich meine, wir lebten einen Alltag auf unbestimmte Zeit. Das hier war kein Sprint, sondern ein Marathon. Um den durchzustehen brauche ich Ausdauer und nicht das Gefühl von „ich platze gleich“.
Das war dann auch der Punkt, an dem ich erkannte, dass ich die Umstände nicht ändern kann, aber meine Einstellung dazu. Die Einschränkungen werden so lange bleiben, wie das die Regierung festgelegt hat. Und ich muss damit klar kommen, ob ich das will oder nicht. Also kann ich mich doch gleich dafür entscheiden, die Umstände zu rocken, oder?
Die Umstände rocken bedeutet, dass die Umstände noch so unschön sein können, ich aber immer die Chance habe, es mir so schön zu machen wie es nur geht. Das hat nichts damit zu tun, dass ich die Augen vor der Realität verschließe oder mir die Welt mit positiven Affirmative schöner mache und das Leid ausklammere.
Die Umstände rocken bedeutet im ersten Schritt, diese anzunehmen wie sie sind. Und das voll und ganz. Das kann unterschiedliche Gefühle auslösen. Von Angst bis hin zur Ohnmacht kann alles dabei sein. Doch wenn wir unseren Gefühlen Raum geben, in den Umstände die gerade herrschen, dann erfahren wir, dass die Gefühle uns durchfluten und dann auch wieder gehen. Das einige Gefühle davon gemacht sind, durch die Nachrichten und das, was wir glauben zu wissen. Haben wir diesen Schritt gemacht, erkennen wir, dass die Umstände immer noch bescheiden sind, doch wir in dem Rahmen, der uns zur Verfügung steht, es uns so schön machen können wie nur möglich.
Ja, wir waren die ersten Wochen ebenso nur im Haus. Wenn da Familienmitglieder plötzlich ganz nah aufeinander hocken, dann ist das herausfordernd. Nicht, weil wir unsere Familie nicht mögen, sondern weil verschiedene Charaktere mit unterschiedlichen Bedürfnissen und Strategien aufeinanderprallen. Um das positiv zu meistern, können Gespräche helfen, um einander besser zu verstehen. Ebenso gemeinsam Dinge im Haus zu tun. Sei es, kochen, Spiele spielen oder Filme Abend. Es gibt viele Formen zusammenzusein und sich dabei gegenseitig gut zutun und zu unterstützen.
Damit ändern wir zwar nicht die Umstände, doch wir nehmen den Umständen den dunklen Schleier und legen unseren darüber. Voller Zuversicht und positiver Basis.
Denn die Basis legen wir fest. Es ist unsere Entscheidung, wie diese Basis aussieht. Es ist unsere Basis, auf der wir den Alltag gestalten. Unser emotionales Becken, aus dem die positiven Gefühle kommen, das Vertrauen, das alles gut wird. Unser Rückhalt, wenn wir gerade nicht weiter wissen, aber weitermachen wollen. Unser Erste Hilfekoffer, wenn gerade alles zu Wanken beginnt. Dann brauchen wir uns nur an unsere Basis erinnern und wissen, dass die Umstände zwar blöd sind, doch wir die Umstände rocken können.
Alles Liebe,
Jana