Ich sitze in der Küche am Tisch und will schreiben. Ich möchte meine Gedanken zu Papier bringen, weil mir das Freude macht. Neben mir sitzt meine Tochter und sie braucht Hilfe bei ihrer Aufgabe in Sachkunde. Also lasse ich ab von meinem Vorhaben und unterstütze sie. Wir lesen die Aufgaben und suchen passende Bilder im Netz. Wir gestalten das Poster und erfreuen uns am Ergebnis. Sie mehr wie ich, weil mein Vorhaben war ein anderes.
Ich spüre den Widerstand in meiner Brust und dem Drang, vor Wut zu heulen. Nicht, weil ich ihr nicht helfen will und es doch tue. Nicht, weil gerade Homeschooling ist und ich wünschte, meine Tochter könnte dort die Aufgabe lösen. Nicht, weil ich keine Lehrerin spielen will.
Das alles wirkt sicherlich da mit hinein und am liebsten möchte ich der ganzen Welt die Schuld an meiner Misere geben.
Doch mein Gefühl entspringt aus einer anderen Quelle. Es ist die Quelle meines inneren Kindes, das jetzt nicht so kann, wie es gerne will. Mein inneres Kind möchte jetzt kreativ sein und spielen. Miefigeres Kind möchte nicht Erwachsen sein und Regeln einhalten. Mein inneres Kind sehnt sich nach Leichtigkeit ohne Verantwortung. Einfach Sein und nichts tun.
Und ja, ich kann diesem Drang nachgeben. Allerdings ist es so, dass ich nun mal die Mama bin und nicht das Kind.
Was kann ich tun, als Mama?
Als Allererstes kann ich fühlen. Meinen Widerstand. Ohne mich dafür zu verurteilen, weil ich es doch eigentlich gut habe und das Kind ja nicht gegen mich ist. Ich kann einfach innehalten und fühlen. Mich fühlen. Ganz klar und bewusst. Den Druck in der Brust, die Frustration, die feuchten Augen. Ich kann es wahrnehmen, auch wenn es ein ganz blödes Gefühl ist und die Gedanken schon wieder Achterbahn fahren. Denn die wollen nur, dass ich mich selbst verurteile oder mich zwinge, doch wieder normal zu sein. Unsere Gedanken meinen nämlich zu wissen, was wir da fühlen. Doch meistens stimmt das nicht, weil der Verstand etwas verstehen will, was es nicht zu verstehen gilt – sondern zu fühlen.
Und diese Fühlen dauert so lange, wie es eben dauert. Es gibt da kein Zeitlimit. Der einzige Parameter, der zählt, ist, ab wann setzt bei dir die Entspannung ein. Nicht in Form von Gleichgültigkeit, sondern so, dass du spürst, dass der Druck nachlässt und die feuchten Augen wieder trocken werden. Das sind die Parameter. Damit ändere ich nicht die Situation oder habe sofort eine Lösung parat. Allerdings kann ich aus einer entspannteren Körperhaltung heraus ganz anders agieren.
Vielleicht brumme ich mein Kind nicht an, weil ich den Druck in meiner Brust nicht aushalte.
Oder ich bin so wütend, weil ich nicht so kann, wie ich will, dass der Tisch plötzlich leer gefegt ist.
Wenn ich innehalte und spüre, was da los ist, dann kann es wie eine Welle durch mich hindurchfließen.
Anschließend schaue ich mir die Situation an und kann dann als Mama Entscheidungen treffen. Wie auch immer diese aussieht.
Immer fühlen kostet Zeit, oder?
Ja, das tut es. Doch, warum sollten wir uns diese Zeit nicht nehmen? Was hindert uns daran? Die Liste mit den vielen Punkten, der nächste Eintrag auf Social Media oder das Abendessen? Was Bitteschön ist wichtiger als du? Als das, was du fühlst. Als das, was dich lebendig hält? Nichts. Kein Zeitplan und kein Termin. Das, was da gerade in die wütet, zeigt, hier stimmt was nicht. Es nicht zu spüren führt zu Übersprungshandlungen die aus diesem Gefühl entspringen und ganz ehrlich – wir wissen alle wie solche Handlungen aussehen. Oft nicht so, wie wir es uns immer wieder vornehmen.
Ist das immer schön? Nein. Ich empfinde nicht jedes Gefühl als toll. Auch ich hätte gern stets gute Gefühle und die volle Entspannung und Gelassenheit. Anderseits, wenn es dann doch so wäre, wäre es auch langweilig. Ich hätte keine Abwechslung im Fühlen und könnte somit keine unterschiedlichen Erfahrungen machen.
Was ich sagen möchte, Mamas – fühlt euch. Immer. Denn eure Gefühle sind wichtig. Sie sind das Navigationssystem. Euer Navigationssystem. Im Leben und mit diesem Mutter-Ding. Geht da nicht einfach drüber hinweg, weil ihr ja die Großen seid und jetzt keine kindliche Trotzphase an den Tag legen solltet. Manchmal dürfen wir genau so wütend sein, wenn wir eigentlich spielen wollen und dann doch das Abendessen zubereiten.
Sehr inspirierend geschrieben – danke!
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